Was ist ein Retinoblastom?
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Retinoblastom
Das Retinoblastom ist ein bösartiger Tumor in der Netzhaut des Auges, für dessen Entstehung Mutationen in beiden Allelen des Retinoblastom-Gens (lokalisiert auf Chromosom 13, Bande q14) die Grundvoraussetzung sind.
Dieser Tumor geht von genetisch veränderten unreifen Netzhautzellen aus und führt unbehandelt zum Tode. Wird die Krankheit frühzeitig erkannt und therapiert, sind die Heilungschancen gut (ca. 95 % der Patienten werden geheilt). Da das Wachstum des Retinoblastom nur von unreifen Netzhautzellen ausgehen kann, tritt dieser Tumor nur sehr selten nach dem 5. Lebensjahr auf. Auf 20.000 Lebendgeburten kommt etwa ein Krankheitsfall, was ca. 60 Fälle pro Jahr in Deutschland entspricht. In den USA rechnet man pro Jahr mit etwa 350 Fällen, weltweit geht man von 5.000–8.000 Neuerkrankungen pro Jahr aus. Zu unterscheiden ist eine erbliche von einer nicht-erblichen Form. Bei Mädchen und Jungen tritt der Tumor mit gleicher Häufigkeit auf. Abgesehen vom Menschen ist bisher keine Tierart bekannt, bei der ein Retinoblastom natürlicherweise auftritt.
Ursache
Etwa 45 % der Patienten haben die erbliche Form des Retinoblastoms. Diese Patienten sind heterozygot für eine Mutation im Retinoblastom-Gen (erste Mutation). Diese Mutationen sind meist das Resultat von Neumutationen in der Keimbahn (Samenzelle bzw. Eizelle) eines Elternteils. Es liegt ein autosomal-dominanter Erbgang mit unvollständiger, aber hoherPenetranz vor. Dieser autosomal-dominante Erbgang ist insofern bemerkenswert, als er sich von sonstigen autosomal-dominanten Erbgängen deutlich unterscheidet. Zur Entstehung des Retinoblastoms müssen beide Allele für das Retinoblastomgen (RB1) mutiert sein, dies ist normalerweise eine Eigenschaft, die autosomal-rezessiv vererbte Krankheiten aufweisen. Im Falle des erblichen Retinoblastoms jedoch kommt es in nahezu 95 % der Fälle zu der zusätzlichen zweiten somatischen Mutation in Retinavorläuferzellen bei bestehender erster Mutation aller Körperzellen. Der mutationsbedingte Verlust des zweiten, normalen Allels in einer Vorläuferzelle der Retina löst die Entstehung des Tumors aus. Dadurch erscheint der Erbgang typisch autosomal-dominant mit nicht vollständiger, aber hoher Penetranz. Untersuchungen hierzu wurden von Alfred G. Knudson durchgeführt und 1971 veröffentlicht, nach ihm heißt diese Theorie zur Tumorentstehung „Zwei-Mutationen-Theorie nach Knudson“. Inzwischen geht man davon aus, dass ein dritter Faktor hinzukommen muss, damit es zur Tumorbildung kommt. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang beispielsweise Veränderungen in der Chromosomenstruktur, wie beispielsweise Zugewinne auf dem langen Arm von Chromosom 1 oder auf dem kurzen Arm des Chromosom 6.
Die meisten Patienten mit erblichem Retinoblastom haben Tumoren in beiden Augen (beidseitiges Retinoblastom). Heterozygote Träger einer Mutation im Retinoblastom-Gen geben diese mit einem Risiko von 50 % an die Nachkommen weiter. Bei Kindern, die eine solche Mutation geerbt haben, besteht ein sehr hohes Risiko für die Entwicklung von Retinoblastomen.
Etwa 55 % der Patienten haben die nicht-erbliche Form des Retinoblastoms. Bei diesen Patienten treten beide für die Tumorentstehung erforderlichen Mutationen in Körperzellen auf (somatische Mutationen), und zwar müssen beide Mutationen in ein und derselben Zelle vorliegen. Da es statistisch gesehen recht unwahrscheinlich ist, dass diese zweifache Mutation bei einem Kind unabhängig voneinander in Zellen der Retina beider Seiten passiert, ist das sporadische Retinoblastom selten bilateral. Fast alle Patienten mit nicht-erblichem Retinoblastom haben nur ein betroffenes Auge (einseitiges Retinoblastom).
Da das Retinoblastom meist bei jungen Kindern unter fünf Jahren auftritt, wird das Retinoblastom auch als Kindlicher Augentumor bezeichnet. Die Erkrankung wird bei Kindern mit beidseitigem Retinoblastom überwiegend früher als bei Kindern mit einseitigem Retinoblastom festgestellt; das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt bei der unilateralen Form bei 23 Monaten, bei der bilateralen Form bei 12 Monaten. Etwa 10 % der Retinoblastome werden bereits kurz nach der Geburt diagnostiziert, innerhalb des ersten Lebensjahres etwa 50 %, und bis zum 3. Lebensjahr ungefähr 90 %.
Sonderformen
Trilaterales Retinoblastom
Trilaterales Retinoblastom nennt man ein sehr selten vorkommendes erbliches Retinoblastom, das gemeinsam mit einem Hirntumor auftritt. Dabei handelt es sich um eine selbständige Geschwulst, nicht um eine Metastase. Die Histologie ähnelt der des Retinoblastoms; die Prognose ist für den Patienten relativ ungünstig.
Retinom
Retinom (Retinozytom) bezeichnet einen gutartigen (benignen) Netzhauttumor, der in ungefähr 2 % der Patienten mit einer Mutation des RB-Gens auftritt. Es handelt sich dabei vermutlich um einen Vorläufer des Retinoblastoms oder um die Reste eines abgeheilten Retinoblastoms nach spontaner Regression. Die Histologie ist ähnlich der des Retinoblastoms.
Symptomatik
Nicht selten fällt der Tumor durch sogenannte Leukokorie auf. Dabei wird das in das Auge einfallende (Blitz-)Licht nicht wie beim gesunden Auge von der Netzhaut mit der darunterliegenden Aderhaut reflektiert (dies ergibt das typische „rote Auge“ auf Photographien), sondern vom Retinoblastomgewebe (hierdurch kommt es zu einer weißlich-gelblichen Reflexion des Lichts, siehe Abbildung). Bei Retinoblastompatienten, die später durch andere Symptome klinisch auffällig werden, lässt sich nicht selten auf früheren Photographien bereits das Phänomen der Leukokorie beobachten. Liegt gleichzeitig auf dem Auge auch noch eine tumorbedingte „Blindheit“ (Amaurose) vor, so spricht man auch vom „amaurotischen Katzenauge“.
Neben der Leukokorie ist eine Schielstellung (Strabismus) der Augen das häufigste Symptom. Seltener findet man eine schmerzhafte Rötung des Auges, ein Glaukom (grüner Star), teilweisen Verlust des Sehvermögens, Entzündungen in der Augenhöhle (orbitale Cellulitis), sehr selten eine einseitige Weitstellung der Pupille (unilaterale Mydriasis), Verfärbungen der Iris (Heterochromie), weiße Irisflecken oder Blut in der vorderen Augenkammer (Hyphäma).